In alten Zeiten wurde alles Wichtige mündlich überliefert. Den Luxus der ersten Texte gab es erst, als die Schrift erfunden wurde und da nur die Gebildeten Zugang zu den Schriften hatten und lesen konnten, unterschieden sie sich dadurch erheblich vom gewöhnlichen Volk. Meistens waren es Priester, die des geschriebenen Wortes mächtig waren und jenes Wissen verlieh ihnen Macht, die sie natürlich auch missbrauchten.
In alten Zeiten wurde alles Wichtige mündlich überliefert. Den Luxus der ersten Texte gab es erst, als die Schrift erfunden wurde und da nur die Gebildeten Zugang zu den Schriften hatten und lesen konnten, unterschieden sie sich dadurch erheblich vom gewöhnlichen Volk. Meistens waren es Priester, die des geschriebenen Wortes mächtig waren und jenes Wissen verlieh ihnen Macht, die sie natürlich auch missbrauchten.
Zunächst aber wurde das geheime Wissen von Mund zu Mund übertragen, es geschah zwischen Eingeweihter/m und Schüler/in in einem engen, persönlichen Kontakt, der auch eine Herzensverbindung beinhaltete. Heute wird dies noch immer praktiziert, z.B. bei höheren Einweihungen tibetischer Meister. Als einer der Gründe wird genannt, dass bei einer persönlichen Übertragung auch gleichzeitig die Anbindung an die Ahnen vorheriger Meister und Meisterinnen stattfindet. Diese Anbindung kann vom Schüler gefühlt und aufgenommen werden, wenn er sich dem Meister öffnet und hingibt. Dieser wirkt dann eher als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft und sorgt dafür, dass die ungebrochene Linie erhalten bleibt und deren Energiefluss an den Schüler weitergegeben wird.
Das alte Wissen war häufig in Geschichten verpackt, die sich auch - je nach kultureller Entwicklung - veränderten, erweiterten oder denen Neues hinzugefügt wurde. Durch die mündliche Übertragung blieb es frisch, lebendig und konnte der Zuhörerschaft entsprechend angepasst und abgewandelt werden, so dass der Inhalt immer zeitnah wirkte.
Schöpferinnen der Buchstaben
In Asien gilt Kali Ma, eine dunkle Göttin, als Schöpferin des Sanskrit, von dem die indoeuropäischen Sprachen abstammen. Sie schuf die magischen Buchstaben des Sanskrit-Alphabets und schrieb sie auf Schädel, die ihr als Gebetskette um den Hals hingen. Diese Buchstaben standen für die ursprüngliche Schöpfungsenergie. Ihr Klang, der sich in Form von Mantren (heilige Silben, die wiederholt werden und deren Rhythmen die Kraft eines Archetypen erwecken können) entfaltete, ließ - laut Überlieferung - alle Dinge, die von Kali Ma das erste Mal formuliert wurden, entstehen. Die Buchstaben verknüpften männliche und weibliche Elemente auf magische Weise in einem tantrischen Prozess.
Bei den Kelten bringt die Göttin Idun, die Hüterin der magischen Äpfel, die den Göttern Unsterblichkeit verleihen konnten, die Runen mit sich. Sie ritzte die ersten Runenzeichen in die Zunge ihres Gemahl, damit auch er die magische Kraft der Worte erlangen konnte. Zu alten Zeiten war die Wissensübertragung immer mit einem Opfer des Lernenden verbunden – nicht selten handelte es sich um ein Blutopfer. Man musste schon beweisen, dass man es ernst meinte und reif genug war, um An- und Einweisungen zu erhalten.
Erzählkunst
Noch heute gibt es in Irland die umherreisenden Geschichtenerzähler. Sie gehen hochgeachtet von Haus zu Haus und erzählen alte Mythen und Geschichten. Von ihnen geht eine große Faszinationskraft aus, denn sie sind Meister des Sprachrhythmus und nicht selten begleiten Trommelschläge die Geschichte, um ihr Dramatik zu verleihen. Die Türen stehen ihnen immer offen, sie werden zum Dank eingeladen und beköstigt oder übernachten auf Kosten des Hauses. Es gilt als unglückbringend, sich nicht großzügig gegenüber einem Geschichtenerzähler zu erweisen.
In Afrika ist es ebenfalls Brauch, Wissen auf singende, erzählende und trommelnde Art weiterzugeben, um Worten Kraft, Magie und Lebendigkeit zu verleihen. Auch dort sind solche Geschichtenerzähler hochgeachtet.
Heiliges Wissen und Klänge
Im Buddhismus werden wichtige Texte und Erläuterungen auswendig gelernt. Kann man etwas auswendig, trägt man es im Herzen (= englisch: to know by heart). Es bleibt so als lebendiges Wissen im Geist erhalten, so dass man immer darauf zurückgreifen kann.
Alle alten Völker besaßen Mantren, heilige Klänge, mit denen durch ständige Wiederholungen Kräfte wachgerufen wurden und die den inneren Körperwind, den Atem, lenken konnten. Ein Mantra vermochte verschiedenes: Zum einen den Geist konzentrieren, zum anderen den Atem in die subtileren Kanäle lenken und die Energie des entsprechenden Archetypen wachrufen, damit der seine Wirkung in der klangerzeugenden Person entfaltete. Auch die heiligen Mantren werden direkt übertragen, von Lehrer/in auf Schüler/in. Sie sind zugleich Bild und Klang, denn ihre Silben werden in einem der Chakren als Speichen von Rädern visualisiert, die sich beim Aufsagen beginnen zu drehen und so ihre Lichtenergie verbreiten.
Wissen vermitteln
Die Erzählerin oder Wissensträgerin hat also eine wichtige Funktion. Sie ist Vermittlerin und Überträgerin zugleich, auch Botschafterin, die zwischen den verschiedenen Seinsebenen Verbindung herstellt. In Zeiten, da es noch keine Transportmittel gab und auch die Strecken unwegsam waren, verfügten die BotschafterInnen laut Überlieferung über die besondere Fähigkeit des Schnelllaufens. Durch gewisse Meditationspraktiken konnten sie ihr Körpergewicht so verringern, dass sie sich in unglaublicher Geschwindigkeit, fast wie im Flug fortbewegten und dabei enorme Strecken zurücklegten. Das war natürlich wichtig in Zeiten, da es einfach zu lange dauerte, um die weiten Wege zwischen den vereinzelten Siedlungen zurückzulegen.
Eine weitere Eigenschaft der Erzählerin ist die Gabe der Erfindung. Sie kann nicht nur die Geschichten so umwandeln, dass sie ihr jeweiliges Publikum erreichen, sondern sie besitzt auch ein schnelles Auffassungsvermögen, das ihr auf den weiten Wegen, die sie bisweilen zurücklegt, nützlich ist. Sie lernt auch aus “Unfällen”, aus Missgeschicken, die ungeplant ihren Weg kreuzen und zieht daraus neue Schlüsse. Durch ihre Unvoreingenommenheit setzt sie sich neuen Erfahrungen aus, ohne dass daran bestimmte Erwartungen geknüpft sind. So bleibt sie spontan und frei im Reagieren. Immer wieder kommt sie mit neuen Umständen, neuen Orten, neuen Menschen zusammen, sucht sie sich unbekannte Wege, um ihre Botschaften zu transportieren. Heimatlos lebt sie doch in spontanem Kontakt, mit dem, was ihr begegnet. Sie erhält sich ihre Lernfähigkeit durch einen immer jungen Geist.
Botschaften übertragen
Solche Wissensträgerinnen oder Botschafterinnen gibt es natürlich auch in der heutigen Zeit. Es sind die Reporter/innen, die Schriftsteller/innen, die Telefonist/innen, die Journalist/innen, die Übersetzer/innen, die Lehrer/innen. Alle, die sich für Themen des Zeitgeists interessieren und sich bemühen, diese weiterzugeben oder in eine Form zu bringen, die von anderen verstanden wird. Die Sprache ist ihr Gebiet, die Worte sind ihre Freunde, die Gedankenwelt ihr Zuhause. Aus einer Fülle von Informationen Geschichten zu gestalten, die einen Inhalt vermitteln, das ist die Aufgabe der “Zwillinge-Welt”, in der die Wissensträgerinnen angesiedelt sind. Durch ihre Beweglichkeit und die vielen kleinen oder großen Reisen, die sie unternehmen, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, sprechen sie häufig mehr als eine Sprache. Da ihnen die Verständigung über alles geht, vermögen sie auch, die unterschiedlichsten Standpunkte einzunehmen, verschiedene Sichtweisen zu kultivieren. Einer Botschafterin ist klar, dass sie Übermittlerin ist. Sie kann aus ihrer eigenen Rolle und den damit verbundenen Ansichten herausschlüpfen und ganz andere Positionen beziehen, um an sachdienliche Informationen zu kommen, je nachdem, wie es die Umstände von ihr erfordern. Da sie über ein gutes Gedächtnis verfügt, geht auch wenig verloren, es sei denn, sie verzettelt sich und kommt vom Weg ab.
Humor
Die Erzählerin verfügt auch aufgrund ihrer inneren Distanz und ihrer wertfreien, kindlichen Haltung dem Leben gegenüber über eine große Portion Humor. Ihr macht es einfach Spaß, andere und sich selbst zu unterhalten, indem sie die kleinen, auch unbedeutenden Zwischenfälle und Fehler des Lebens so aufbereitet, dass andere darüber schmunzeln können. Für die Geschichtenerzählerin ist alles bemerkenswert und neuartig, was in dieser Form noch nicht da gewesen ist, weil sie im Moment lebt. Sie wird wach, sobald sie ein Gegenüber hat und versinkt in eine Art Lähmung, sollten die Umstände einmal stagnieren oder ihr die Bewegungsfreiheit nehmen und sie vorübergehend isolieren. Entweder nutzt sie dann die Zeit, um noch nicht verarbeitete Informationen neu zu ordnen oder es ist, als ob sie in tiefen Schlaf versinkt. Ihr Geist braucht ständig neue Anregungen, um sich lebendig zu fühlen. Sie liebt die Herausforderung der Abwechslung und des Unbekannten, um ihr Improvisationstalent und die damit verbundene Erfindungsgabe einsetzen zu können. Sie hasst “perfekte” Umstände, in denen der spontane Geist erstarrt ist und ihr fehlt der Atem, wenn sie nicht irgendwo etwas Lustiges entdecken kann, das aus der Rolle fällt. Sie liebt das Frische, den Frühling und den Sommer. Dies gilt auch für Lebenssituationen. Sobald eine gewisse Stabilität in Prozessen erreicht ist, die Langsamkeit, Verwaltung und Organisation erfordern, fliegt die Geschichtenerzählerin wie ein Schmetterling zur nächsten Blume, um diese mit ihrem Geist zu bestäuben. Nicht die Beständigkeit ist ihre Welt, sondern das Ungewisse, das neugierig erforscht werden kann. Sie hört und gibt weiter, zerstreut schon beim Sammeln und liest die einzelnen Fäden auseinander, um sie zu verknüpfen. Ihr Wesen ist leicht, fröhlich, ihre Bewegungen sind hüpfend, schnell, luftig, ihre geistigen Aktivitäten sind gerichtet auf die Alltagsbegebenheiten, in denen sie manchmal das Große erkennen kann. Wobei sie das Große nicht unbedingt anziehend findet, sondern eher fasziniert ist vom bunten Zusammenspiel der kleinen Vielheit. Sie begegnet auch Tieren, Pflanzen, Steinen, Geistern, ja, selbst technischen Geräten auf menschliche Art, gleichberechtigt und offen - denn wer weiß, sie könnten neue Geschichten mit sich bringen.
Zwillinge
Besonders für Zwillinge ist die Leichtigkeit fürs Überleben wichtig. Werden die Umstände zu schwer, verfliegt das Gewitzte, Unbeschwerte und die Fähigkeit, geschwind zu reagieren. Ein stagnierter Zwilling ist „zerdacht“ und es gelingt ihm schwer, sich dann überhaupt noch in seinem Körper zu Hause zu fühlen. Er flieht die „Schwere“, das Festgefahrene und vegetiert dann in einer haltlosen Gedankenwelt vor sich hin, die wenig mit der Erde gemein hat.
Möchte man den frischen Zwilling in sich wecken, empfiehlt es sich, erst einmal für eine aufgelockerte Atmosphäre zu sorgen. Der freie Geist entspringt der Entspannung. Es lernt sich besser, wenn der Geist frei ist. Aus der Bewegung entsteht das Zusammenspiel.
In Tibet sagt man, dass alle drei Jahre am besten der Wohnort gewechselt werden sollte. Der Grund: Der Geist verhaftet zu sehr an Gewohnheiten, wenn er zu lange mit dem gleichen Umfeld konfrontiert wird. Die Gewohnheiten (Stier) werden dann so stark und verdichtet, dass es schwer fällt, diese wieder aufzugeben. Nun können wir natürlich nicht alle drei Jahre umziehen, aber vielleicht dafür sorgen, dass unsere innere Geschichtenerzählerin durch Reisen, Ausflüge und ausreichende Besuche - in regelmäßigen Abständen - mit frischem Wind belebt wird.
Artikel ist in leicht veränderter Form dem Buch von Ulla Janascheck entnommen: Göttinnenzyklus, von weisen Frauen, ihren Künsten und Wirkstätten, Arun Verlag.
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Zunächst aber wurde das geheime Wissen von Mund zu Mund übertragen, es geschah zwischen Eingeweihter/m und Schüler/in in einem engen, persönlichen Kontakt, der auch eine Herzensverbindung beinhaltete. Heute wird dies noch immer praktiziert, z.B. bei höheren Einweihungen tibetischer Meister. Als einer der Gründe wird genannt, dass bei einer persönlichen Übertragung auch gleichzeitig die Anbindung an die Ahnen vorheriger Meister und Meisterinnen stattfindet. Diese Anbindung kann vom Schüler gefühlt und aufgenommen werden, wenn er sich dem Meister öffnet und hingibt. Dieser wirkt dann eher als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft und sorgt dafür, dass die ungebrochene Linie erhalten bleibt und deren Energiefluss an den Schüler weitergegeben wird.
Das alte Wissen war häufig in Geschichten verpackt, die sich auch - je nach kultureller Entwicklung - veränderten, erweiterten oder denen Neues hinzugefügt wurde. Durch die mündliche Übertragung blieb es frisch, lebendig und konnte der Zuhörerschaft entsprechend angepasst und abgewandelt werden, so dass der Inhalt immer zeitnah wirkte.
Schöpferinnen der Buchstaben
In Asien gilt Kali Ma, eine dunkle Göttin, als Schöpferin des Sanskrit, von dem die indoeuropäischen Sprachen abstammen. Sie schuf die magischen Buchstaben des Sanskrit-Alphabets und schrieb sie auf Schädel, die ihr als Gebetskette um den Hals hingen. Diese Buchstaben standen für die ursprüngliche Schöpfungsenergie. Ihr Klang, der sich in Form von Mantren (heilige Silben, die wiederholt werden und deren Rhythmen die Kraft eines Archetypen erwecken können) entfaltete, ließ - laut Überlieferung - alle Dinge, die von Kali Ma das erste Mal formuliert wurden, entstehen. Die Buchstaben verknüpften männliche und weibliche Elemente auf magische Weise in einem tantrischen Prozess.
Bei den Kelten bringt die Göttin Idun, die Hüterin der magischen Äpfel, die den Göttern Unsterblichkeit verleihen konnten, die Runen mit sich. Sie ritzte die ersten Runenzeichen in die Zunge ihres Gemahl, damit auch er die magische Kraft der Worte erlangen konnte. Zu alten Zeiten war die Wissensübertragung immer mit einem Opfer des Lernenden verbunden – nicht selten handelte es sich um ein Blutopfer. Man musste schon beweisen, dass man es ernst meinte und reif genug war, um An- und Einweisungen zu erhalten.
Erzählkunst
Noch heute gibt es in Irland die umherreisenden Geschichtenerzähler. Sie gehen hochgeachtet von Haus zu Haus und erzählen alte Mythen und Geschichten. Von ihnen geht eine große Faszinationskraft aus, denn sie sind Meister des Sprachrhythmus und nicht selten begleiten Trommelschläge die Geschichte, um ihr Dramatik zu verleihen. Die Türen stehen ihnen immer offen, sie werden zum Dank eingeladen und beköstigt oder übernachten auf Kosten des Hauses. Es gilt als unglückbringend, sich nicht großzügig gegenüber einem Geschichtenerzähler zu erweisen.
In Afrika ist es ebenfalls Brauch, Wissen auf singende, erzählende und trommelnde Art weiterzugeben, um Worten Kraft, Magie und Lebendigkeit zu verleihen. Auch dort sind solche Geschichtenerzähler hochgeachtet.
Heiliges Wissen und Klänge
Im Buddhismus werden wichtige Texte und Erläuterungen auswendig gelernt. Kann man etwas auswendig, trägt man es im Herzen (= englisch: to know by heart). Es bleibt so als lebendiges Wissen im Geist erhalten, so dass man immer darauf zurückgreifen kann.
Alle alten Völker besaßen Mantren, heilige Klänge, mit denen durch ständige Wiederholungen Kräfte wachgerufen wurden und die den inneren Körperwind, den Atem, lenken konnten. Ein Mantra vermochte verschiedenes: Zum einen den Geist konzentrieren, zum anderen den Atem in die subtileren Kanäle lenken und die Energie des entsprechenden Archetypen wachrufen, damit der seine Wirkung in der klangerzeugenden Person entfaltete. Auch die heiligen Mantren werden direkt übertragen, von Lehrer/in auf Schüler/in. Sie sind zugleich Bild und Klang, denn ihre Silben werden in einem der Chakren als Speichen von Rädern visualisiert, die sich beim Aufsagen beginnen zu drehen und so ihre Lichtenergie verbreiten.
Wissen vermitteln
Die Erzählerin oder Wissensträgerin hat also eine wichtige Funktion. Sie ist Vermittlerin und Überträgerin zugleich, auch Botschafterin, die zwischen den verschiedenen Seinsebenen Verbindung herstellt. In Zeiten, da es noch keine Transportmittel gab und auch die Strecken unwegsam waren, verfügten die BotschafterInnen laut Überlieferung über die besondere Fähigkeit des Schnelllaufens. Durch gewisse Meditationspraktiken konnten sie ihr Körpergewicht so verringern, dass sie sich in unglaublicher Geschwindigkeit, fast wie im Flug fortbewegten und dabei enorme Strecken zurücklegten. Das war natürlich wichtig in Zeiten, da es einfach zu lange dauerte, um die weiten Wege zwischen den vereinzelten Siedlungen zurückzulegen.
Eine weitere Eigenschaft der Erzählerin ist die Gabe der Erfindung. Sie kann nicht nur die Geschichten so umwandeln, dass sie ihr jeweiliges Publikum erreichen, sondern sie besitzt auch ein schnelles Auffassungsvermögen, das ihr auf den weiten Wegen, die sie bisweilen zurücklegt, nützlich ist. Sie lernt auch aus “Unfällen”, aus Missgeschicken, die ungeplant ihren Weg kreuzen und zieht daraus neue Schlüsse. Durch ihre Unvoreingenommenheit setzt sie sich neuen Erfahrungen aus, ohne dass daran bestimmte Erwartungen geknüpft sind. So bleibt sie spontan und frei im Reagieren. Immer wieder kommt sie mit neuen Umständen, neuen Orten, neuen Menschen zusammen, sucht sie sich unbekannte Wege, um ihre Botschaften zu transportieren. Heimatlos lebt sie doch in spontanem Kontakt, mit dem, was ihr begegnet. Sie erhält sich ihre Lernfähigkeit durch einen immer jungen Geist.
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Humor
Die Erzählerin verfügt auch aufgrund ihrer inneren Distanz und ihrer wertfreien, kindlichen Haltung dem Leben gegenüber über eine große Portion Humor. Ihr macht es einfach Spaß, andere und sich selbst zu unterhalten, indem sie die kleinen, auch unbedeutenden Zwischenfälle und Fehler des Lebens so aufbereitet, dass andere darüber schmunzeln können. Für die Geschichtenerzählerin ist alles bemerkenswert und neuartig, was in dieser Form noch nicht da gewesen ist, weil sie im Moment lebt. Sie wird wach, sobald sie ein Gegenüber hat und versinkt in eine Art Lähmung, sollten die Umstände einmal stagnieren oder ihr die Bewegungsfreiheit nehmen und sie vorübergehend isolieren. Entweder nutzt sie dann die Zeit, um noch nicht verarbeitete Informationen neu zu ordnen oder es ist, als ob sie in tiefen Schlaf versinkt. Ihr Geist braucht ständig neue Anregungen, um sich lebendig zu fühlen. Sie liebt die Herausforderung der Abwechslung und des Unbekannten, um ihr Improvisationstalent und die damit verbundene Erfindungsgabe einsetzen zu können. Sie hasst “perfekte” Umstände, in denen der spontane Geist erstarrt ist und ihr fehlt der Atem, wenn sie nicht irgendwo etwas Lustiges entdecken kann, das aus der Rolle fällt. Sie liebt das Frische, den Frühling und den Sommer. Dies gilt auch für Lebenssituationen. Sobald eine gewisse Stabilität in Prozessen erreicht ist, die Langsamkeit, Verwaltung und Organisation erfordern, fliegt die Geschichtenerzählerin wie ein Schmetterling zur nächsten Blume, um diese mit ihrem Geist zu bestäuben. Nicht die Beständigkeit ist ihre Welt, sondern das Ungewisse, das neugierig erforscht werden kann. Sie hört und gibt weiter, zerstreut schon beim Sammeln und liest die einzelnen Fäden auseinander, um sie zu verknüpfen. Ihr Wesen ist leicht, fröhlich, ihre Bewegungen sind hüpfend, schnell, luftig, ihre geistigen Aktivitäten sind gerichtet auf die Alltagsbegebenheiten, in denen sie manchmal das Große erkennen kann. Wobei sie das Große nicht unbedingt anziehend findet, sondern eher fasziniert ist vom bunten Zusammenspiel der kleinen Vielheit. Sie begegnet auch Tieren, Pflanzen, Steinen, Geistern, ja, selbst technischen Geräten auf menschliche Art, gleichberechtigt und offen - denn wer weiß, sie könnten neue Geschichten mit sich bringen.
Zwillinge
Besonders für Zwillinge ist die Leichtigkeit fürs Überleben wichtig. Werden die Umstände zu schwer, verfliegt das Gewitzte, Unbeschwerte und die Fähigkeit, geschwind zu reagieren. Ein stagnierter Zwilling ist „zerdacht“ und es gelingt ihm schwer, sich dann überhaupt noch in seinem Körper zu Hause zu fühlen. Er flieht die „Schwere“, das Festgefahrene und vegetiert dann in einer haltlosen Gedankenwelt vor sich hin, die wenig mit der Erde gemein hat.
Möchte man den frischen Zwilling in sich wecken, empfiehlt es sich, erst einmal für eine aufgelockerte Atmosphäre zu sorgen. Der freie Geist entspringt der Entspannung. Es lernt sich besser, wenn der Geist frei ist. Aus der Bewegung entsteht das Zusammenspiel.
In Tibet sagt man, dass alle drei Jahre am besten der Wohnort gewechselt werden sollte. Der Grund: Der Geist verhaftet zu sehr an Gewohnheiten, wenn er zu lange mit dem gleichen Umfeld konfrontiert wird. Die Gewohnheiten (Stier) werden dann so stark und verdichtet, dass es schwer fällt, diese wieder aufzugeben. Nun können wir natürlich nicht alle drei Jahre umziehen, aber vielleicht dafür sorgen, dass unsere innere Geschichtenerzählerin durch Reisen, Ausflüge und ausreichende Besuche - in regelmäßigen Abständen - mit frischem Wind belebt wird.
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