Von Mona Riegger
In meinem Umfeld gibt es niemanden, den die Nachricht vom plötzlichen Tod des Tierpflegers Thomas Dörflein nicht berührt hätte. Die hingebungsvolle Art, mit der er sich um den nach der Geburt von der Mutter verstoßenen Eisbären Knut kümmerte, hat sich tief in die Herzen der Menschen eingegraben. Der anschließende Medienhype um Knut machte auch Thomas Dörflein, den Medienscheuen, über Nacht berühmt. Und nun trauern die Menschen weltweit um ihn, wie einst um Diana...
Eine Psychologin der Freien Universität Berlin bezeichnete die kollektive Trauer um Thomas Dörflein als Diana-Effekt. Dieser trete immer dann auf, wenn jemand stirbt, zu dem man - über die Medien - eine emotionale Bindung aufgebaut habe.
Dabei galt die weltweite Begeisterung anfänglich vor allem dem kleinen tapsigen Eisbären Knut. Vier Monate nach seiner Geburt lockten die täglichen Knut-Shows nicht nur eine Rekordzahl von Besuchern in den Zoologischen Garten von Berlin, sie wurden auch von Millionen Zuschauern in aller Welt an den Bildschirmen verfolgt. Thomas Dörflein war als Pfleger stets in Knuts Nähe und so dauerte es nicht lange, bis er Waschkörbe voll Liebesbriefe und Heiratsanträge aus aller Welt erhielt. Tausende wollten Dörflein nicht nur im Zoo nahe sein, sondern versammelten sich zuweilen auch schon morgens um sechs vor seinem Wohnhaus.
Das Neptun-Prinzip als Projektionsfläche
Es handelt sich hier um ein Phänomen, das Menschen mit häufiger Medienpräsenz - wie Rockstars oder Schauspieler - bekannt sein dürfte. Im Gegensatz zu Promis, die mitunter Begehrlichkeiten wecken, weil es zu ihrem Job gehört und ihren Marktwert erhöht, sprach Thomas Dörflein in seiner Rolle als Mutterersatz eines kleinen hilflosen Wesens tiefer liegende Instinkte im Weiblichen an. Ein Mann, der von seiner Erscheinung her sehr männlich wirkt und dennoch dem Baby die Flasche gibt, mit ihm spielt, gefühlvoll mit ihm umgeht und ihm das Laufen, Schwimmen, Essen beibringt, scheint - schon evolutionsbedingt - für viele Frauen der Traummann schlechthin zu sein. Doch Thomas Dörflein war nicht der Typ, der Gefahr lief, diesem neptunischen Schwindel aufzusitzen. Der Rummel um seine Person war ihm unangenehm und er weigerte sich auch konstant, in Talkshows aufzutreten oder Medienpreise, wie den Bambi entgegen zu nehmen.
Bei Menschen, die, weshalb auch immer, einer breiten medialen Öffentlichkeit bekannt werden und die sich daraufhin vor Verehrern und Verehrerinnen nicht mehr retten können, ist im Geburtshoroskop überdurchschnittlich oft eine Betonung des neptunischen Prinzips zu finden. Entweder steht Neptun dominant oder das Zeichen Fische bzw. das 12. Haus sind stark besetzt. Dieses Prinzip stellt eine Art Projektionsfläche dar, auf die die Wünsche und Sehnsüchte anderer übertragen werden können. Im Falle von Dörflein und Knut wurde sicher bei vielen der Wunsch übermächtig, dem süssen weissen Wollknäuel ebenfalls so nah zu sein wie er. Und bei Frauen kam vermutlich noch die Sehnsucht nach einem Partner hinzu, der ebenso fürsorglich mit der eigenen Nachkommenschaft umgehen möge, wie Dörflein mit Knut.
Radix von Thomas Dörflein
Radix: Thomas Dörflein, 13.10.1963, 7.40 h MEZ, Berlin-Wedding (Quelle: privat) (1)
Eine starke Neptun-Betonung ist im Geburtshoroskop von Thomas Dörflein auch tatsächlich gegeben. Neptun steht dominant im 1. Haus und zudem im Quadrat zur MC/IC-Achse. Die Sonne (als Herrscher von 10) steht im 12. Haus, was zusammen mit Neptun in 1 erklärt, weshalb er öffentliche Auftritte so sehr scheute und sich stattdessen lieber in einsamer Natur aufhielt. Wenn er jedoch von sich selbst sagte, dass er „gut im Neinsagen sei“, kann dies am ehesten mit der Mars-Lilith-Konjunktion im 1. Haus im Quadrat zu Saturn in Verbindung gebracht werden. Diese Konstellation äußert sich mitunter auch durch eine barsche, verschlossene Art, die eher Widerstände hervorruft, als den Betreffenden in der Rolle von „Everybodys Darling“ glänzen zu lassen. Sie mag Thomas Dörflein aber als Schutzschild für seine weichen, durchlässigen und scheuen Seiten gedient haben. Neben seiner neptunischen Hilfs- und Aufopferungsbereitschaft, spiegelt sie aber auch den zähen Kämpfer, den „Troubleshooter“ wider, der selbst dann noch dranbleibt, wenn andere längst aufgegeben haben.
Die Authentizität und Ursprünglichkeit, mit der ein (auch zeichenmäßig) stark gestellter Mars im 1. Haus einen Menschen ins Leben treten lässt, verlieh Thomas Dörflein eine überaus kraftvolle Erscheinung. Man erinnere sich nur an seinen Hechtsprung ins eiskalte Wasser, als Knut das Schwimmen lernte. Die Faszination und Begeisterung, die Dörflein hiermit erzeugte, bedurfte keiner Skorpion-Venus am AC mehr, um die Frauenherzen höher schlagen zu lassen. Nichts desto trotz dürfte auch der unterschwellig erotisierende Charme einer dominant gestellten Venus am Skorpion-AC Begehrlichkeiten wecken, die ihm selbst gar nicht bewusst waren. Er lebte jedoch in einer festen Beziehung und die Situation muss vor allem für seine Freundin (Venus, Herrscher von 7) nicht immer einfach gewesen sein. Die Flut von Liebesbriefen und die unverfrorenen Avancen fremder Frauen vor der gemeinsamen Haustüre lassen eine Skorpion-Venus sicher nicht lange kalt. Doch Eifersucht ist nichts gegen den Schmerz, den letztlich sein Tod auslöste.
Nachdem Thomas Dörflein eine Blasenkrebs-Erkrankung überstanden hatte, starb er am 22. September 2008 an einem Herzinfarkt. Kurz nach 12 Uhr fasste er sich während eines Besuchs bei Freunden plötzlich an die Brust und fiel bewusstlos um. Der sofort herbeigerufene Notarzt kämpfte noch über eine Stunde lang um sein Leben, aber um 13.32 Uhr musste er Dörfleins Tod feststellen. Es dauerte nicht lange, bis eine Woge der Erschütterung nicht nur über die Berliner Bevölkerung hereinbrach. Schon kurz nach 17 Uhr vermeldeten die ersten Nachrichtenagenturen im Internet den Tod des „Knut-Papas“ Dörflein…
Aktuelles Horoskop und Radix
Innen: Aktuell am 22.9.2008, 12.01 h MESZ, Berlin, Aussen: Radixplaneten Thomas Dörflein
Das Horoskop vom Zeitpunkt des Herzinfarkts um 12.01 Uhr zeigt einen Skorpion-Aszendenten mit Saturn exakt am MC auf Berlin-Wilmersdorf berechnet. Das laufende MC und Saturn standen in Konjunktion zu Thomas Dörfleins Geburtsherrscher Pluto und der laufende AC in Konjunktion zu seiner Mars-Lilith-Konjunktion im Skorpion. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl anderer Hinweise, die das Geschehen – im Nachhinein – erklärbar machen. Der „zwingende Tod“ eines Menschen wird jedoch niemals durch irgendeine Konstellation angezeigt oder gar ausgelöst! Jede Auslösung birgt stets mehrere Möglichkeiten der Manifestation in sich, so dass es unmöglich ist, im Voraus den Tod eines Menschen in dessen Horoskop zu erkennen.
Saturn über Pluto
Ein Saturn-Transit über Pluto, vor allem wenn dieser auch noch Geburtsherrscher ist, geht jedoch selten vorüber, ohne ein einschneidendes Lebensereignis anzuzeigen. Auch in der Vergangenheit tangierten Planetenstände wichtiger Ereignisse Thomas Dörfleins Pluto. So stand z.B. die laufende Sonne sowohl bei seiner Hochzeit als auch bei der Geburt seines Sohnes als auch bei der Geburt von Knut jeweils auf 13-14 Grad Schütze und damit im Quadrat zu seinem Radix-Pluto. Dass hierbei die laufende Sonne aber auch jeweils im Trigon zum Radix-Jupiter und Radix-MC stand, unterstreicht den angenehmen Charakter der plutonischen, das Leben wandelnden Ereignisse.
Als nun im September 2008 der Transit-Saturn in 10 über Pluto wanderte, lag nahe, dass mit einem Ereignis zu rechnen sei, das einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden würde. Doch wer hätte dabei an den Tod gedacht? Obwohl die Symbolik Plutos das Thema Tod, Wandlung und Loslassen mit einschließt, sterben während dieses Transits sicher nicht mehr Menschen als zu anderen Zeiten. Zwar kann dieser Transit mit heftigen Erfahrungen einhergehen, die große Wandlungen im bisherigen Lebensgefüge nach sich ziehen, aber wie gesagt, eine Konstellation, die zwingend den eigenen Tod anzeigt, gibt es nicht!
Der Diana-Effekt
Die Schockwelle, die Thomas Dörfleins Tod in aller Welt auslöste und die sogar mit der weltweiten Trauer um Lady Diana verglichen wurde, legt nahe, sich die beiden Geburtshoroskope einmal auf Gemeinsamkeiten hin anzusehen. Hierbei fällt auf, dass sich bei beiden eine Konstellation findet, die mit kollektiver Trauer in Verbindung gebracht werden kann: Pluto in Opposition zu Chiron und im Sextil zu Neptun!
Vor allem dann, wenn sich Pluto oder Neptun (oder beide) in dominanten Eckhäusern befinden und zudem das 10. Haus (Öffentlichkeit) betonen, könnte der Tod dieses Menschen eine kollektive Trauer auslösen. In Dianas Geburtshoroskop findet sich sogar eine Drachenfigur, da zudem die Sonne im Aspektgefüge steht. Zum Zeitpunkt des Todes von Dörflein und Diana wurde diese Aspektfigur bei beiden ausgelöst. In Thomas Dörfleins Radix wie oben beschrieben durch Saturn über Pluto in 10, in Dianas Radix stand bei ihrem Tod die laufenden Sonne in Konjunktion zum Radix-Pluto und der laufende Mars in Konjunktion zum Radix-Neptun in 10.
Zur Verdeutlichung hier die beiden Radix-Horoskope einmal nur mit besagter Aspektfigur dargestellt:
oben: Radix Diana - unten: Radix Dörflein
Diese Aspektfigur « Pluto Opposition Chiron Trigon Neptun » formierte sich nur von 1960 bis 1968, jährlich für ca. 2-4 Monate. Sucht man nach Persönlichkeiten, die in jenen Zeiträumen geboren wurden, finden sich etliche, die früh verstorben sind und deren Tod nicht nur sehr viele Menschen erschütterte, sondern auch darüber hinaus - auf die eine oder andere Art - Geschichte schrieb. An dieser Stelle seien nur einige wenige mit dieser Konstellation im Horoskop genannt:
Daniel Pearls (10.10.1963 – 29.1.2002)
Phoolan Devi (10.8.1963 – 25.7.2001)
Izumi Sakai (6.2.1967 – 27.5.2007)
Hector Petersen (19.8.1963 – 16.6.1976)
Anna Nicole Smith (28.11.1967 – 8.2.2007)
Kollektive Strömungen
Eine weitere Erforschung dieser Konstellation macht auch deshalb Sinn, weil das aspektbedingte Zusammenspiel von Pluto (Transformation, Massenphänomene, Tod und Wiedergeburt), Neptun (Illusion, Auflösung, Sehnsucht, Mysterien) und Chiron (Schmerz, seelische Verwundung) eine Zeitqualität zu beschreiben scheint, die die Betreffenden in besonderem Maße mit kollektiven Strömungen in Verbindung bringt. Dies hat natürlich nicht zwangsläufig ihren frühen Tod zur Folge. Auch im Horoskop von „Christiane F.“ (3), deren Schicksal durch das Buch und den Film „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ weltbekannt wurde, findet sich diese Konstellation. Christiane F. musste nicht physisch sterben, doch ihr Weg durch Drogensumpf und Ausbeutung wurde stellvertretend für viele zum Politikum und trägt ebenfalls die Symbolik von Pluto/Neptun/Chiron in sich.
Der Song „Heroes” von David Bowie ist eng mit der Geschichte von Christiane F. verbunden. Das Heldenhafte, das mit der Verbindung von Neptun und Pluto assoziiert werden kann, liegt in der Möglichkeit der persönlichen Aufopferung (Neptun) für regenerierende Wandlungsprozesse im Kollektiv (Pluto). Neptun und Pluto symbolisieren beide auch heilende, therapeutische Prozesse und zwar sowohl bei Individuen als auch in einer Gesellschaft. Während Chiron die Wunde aufzeigt, an der jemand oder eine Gesellschaft krankt, symbolisieren Neptun und Pluto das Therapieangebot.
Thomas Dörflein hat mit seinem persönlichen Einsatz für Knuts Überleben nicht nur dem Berliner Zoo einen Eisbären hinterlassen, sondern den Menschen ein Therapieangebot gemacht. So wie die Gefühle von Traumatisierten durch den liebevollen Kontakt mit einem kuscheligen Tier wieder ins Fließen kommen können, so wurden viele Menschen beim Anblick von Knut „seelisch gestreichelt“ und damit tief berührt. Thomas Dörflein und Knut waren ein hervorragendes Therapeutenteam. In einer schwierigen Zeit, da viele von Zukunftsängsten geplagt werden und im Fernsehen eine Katastrophe der nächsten folgt, wirkte der Anblick des kleinen Knuts nicht nur wie ein Trostpflaster. Herzen gingen auf und Gefühle kamen ins Fließen.
Nach Thomas Dörfleins Tod bezeugen tausende E-Mails an den Zoo und die Eintragungen ins Kondolenzbuch die heilende Wirkung. Eine Eintragung bringt es in aller Kürze auf den Punkt: „Danke Thomas Dörflein für Ihr Leben und Ihre Liebe für die Tiere. Danke für ein Stück heile Welt!“
1) Diese Geburtszeit wurde mir von einer an Astrologie interessierten Freundin von Thomas Dörflein mitgeteilt. Er hatte ihr diese Zeit genannt.
2) Lady Diana, geboren am 1.7.1961, 19.45 Uhr, Sandringham, GB
3) Christiane F., geboren am 20.5.1962 in Hamburg.
[Nachtrag der Redaktion: Am 19.3.2011 um 15.25 Uhr starb ebenso überraschend wie Thomas Dörflein dessen Schützling, der Eisbär Knut. Vor den Augen von ca. 600 Zoobesuchern stürzte Knut plötzlich taumelnd ins Wasserbecken und ertrank. Ein Obduktion brachte eine Hirnerkrankung zu Tage. Knut, geboren am 5.12.2006 um 14.58 h in Berlin-Charlottenburg, wurde nur vier Jahre alt.]
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